Buchtipp: Krabat von Otfried Preußler

Krabat – Preußlers Roman und der sorbische Faust

Krabat von Otfried Preußler* ist eines der bekanntesten deutschen Bücher für Jugendliche. Es hat zahlreiche Preise gewonnen und wurde bis heute in 37 Sprachen übersetzt. Als Schullektüre oder Hörspiel für Kinder ist es sehr beliebt, aber auch Erwachsene finden an der Geschichte Gefallen.

Warum? Das mag daran liegen, dass Krabat existenzielle Themen behandelt und diese in eine spannende Geschichte verpackt. Es geht ums Erwachsenwerden, um Freundschaft und Liebe, die Verführungen der Macht, die Schönheiten und Grausamkeiten des Lebens. Wegen des Motivs der Verführung durch den Teufel wird Krabat auch der sorbische Faust genannt.

Warum spricht Krabat wendisch?

Was viele Leser heute nicht mehr wissen, ist, dass Preußlers Krabat nicht frei erfunden war, sondern sich auf eine sorbische Sagengestalt stützt.

Sorben bzw. Wenden sind eine westslawische Volksgruppe, die vor allem in der ostdeutschen Lausitz lebt. Sie haben ihre eigene Sprache – das Sorbische/Wendische – das sich in mehrere Dialekte aufgespalten hat und dem Polnischen bzw. Tschechischen und Slowakischen nahesteht. Wer Preußlers Roman aufmerksam liest, dem fällt auf, dass Krabat, sein Meister und seine Mitgesellen wendisch miteinander sprechen, und nicht deutsch.

Die Sagengestalt Krabat

Krabat war und ist kein geläufiger Name im Siedlungsgebiet der Sorben. Tatsächlich leitet sich das Wort „Krabat“ von „Hrvat“ ab, was Kroate bedeutet.

Den Grund dafür gibt eine Schriftquelle an: Franz Schneider schreibt, dass er in der Chronik von Wittichenau und Umgegend, die zwischen 1848 und 1852 verfasst wurde, auf folgende Informationen gestoßen sei:

  • am 29. Mai 1704 starb in Särchen der Obrist Johann Schadowitz mit 80 Jahren. Er stammte aus Agram in Kroatien und wurde in der Pfarrkirche von Wittichenau bestattet.
  • der „croat“ Schadowitz war in der Gegend als Krabat bekannt, soll sehr reich gewesen sein und schwarze Magie betrieben haben.
  • Von vier schwarzmagischen Begebenheiten wird berichtet (alle, außer der ersten, kommen auch in Preußlers Krabat vor):
    1. Er soll aus einer Handvoll Hafer Soldaten gezaubert haben.
    2. Er soll mit dem Churfürsten von Sachsen und dem König von Polen eng befreundet gewesen sein.
    3. Bei einer Reise von Särchen nach Dresden soll er geflogen sein und dabei den Kamenzer Kirchturm gestreift und umgebogen haben.
    4. Außerdem soll er den Churfürsten aus der Türkei mit Zauberkunst gerettet haben.

Auch in späteren Krabat-Versionen bleibt die Identifikation Krabats als Gutsherr von Groß Särchen erhalten, nicht jedoch der Name Johann Schadowitz.

Die Krabat-Sage: Ein Schmelztiegel verschiedener Motive

Sagen und Märchen wurden in früheren Zeiten vor allem mündlich erzählt und erst viel später niedergeschrieben. Durch das Erzählen entwickelten sich die Geschichten mit jeder Generation weiter. Neue Abenteuer kamen dazu, an alte erinnerte man sich nicht mehr genau und manchmal vermischte man mehrere Geschichten, die ursprünglich nichts miteinander zu tun hatten.

Um eine Sage aufzuschreiben, war man also gezwungen zwischen überlieferten Varianten auszuwählen, und daraus eine logische Handlung zu formen. (Mehr zu Entstehung und Überlieferung der Krabat-Sage findest du hier.)

So kommt es, dass die Krabat-Sage eine Mischung aus verschiedenen Geschichten ist. Ein Hinweis darauf ist z. B. die Tatsache, dass man auch in anderen Märchen Motive der Krabat-Sage wiederfinden kann. Zum Beispiel in Grimms Märchen Der Gaudieb und sein Meister von 1819.

Preußlers Krabat macht keine Ausnahme und weicht von älteren Versionen in einigen Begebenheiten ab. So ist es z. B. bei Preußler nicht die Mutter, sondern die Kantorka, die Krabat am Ende rettet. Die anderen Müllerburschen sind seine Freunde, während sie ihn in anderen Krabat-Erzählungen an den Meister verraten.

Allen bekannten Krabat-Varianten ist jedoch gemeinsam, dass der Schauplatz der Sage die Oberlausitz ist, genauer die Gegend zwischen Hoyerswerda und Königswartha. Außerdem ist Krabat anfangs immer ein Sterblicher, der im Laufe seines Lebens magische Kräfte erlangt.

Die Krabat-Sage im 20. Jh.

Schon vor Otfried Preußler haben sich vor allem zwei andere Schriftsteller des Stoffes angenommen. 1954 schrieb Měrćin Nowak-Njechorński: Meister Krabat der gute sorbische Zauberer.

Ein anderer sorbischer Autor, Jurij Brězan, schrieb sogar drei Bücher, die sich mit der Krabat-Geschichte und ihren Motiven auseinandersetzen: Die schwarze Mühle (1968), Krabat oder Die Verwandlung der Welt (1976) und Krabat oder Die Bewahrung der Welt (1993).

Jedes dieser Werke dürfte Preußlers Krabat auf die eine oder andere Weise beeinflusst haben.

Otfried Preußlers Krabat

Otfried Preußler wurde 1923 in Nordböhmen geboren. Während seiner Kindheit hörte er häufig volkstümliche Geschichten und Sagen seiner Heimat, allen voran von seiner eigenen Großmutter, aber auch wenn er seinen Vater begleitete, der die Sagen des böhmischen Isergebirges sammelte.

Der junge Otfried wurde von der Schulbank weg zum Kriegsdienst eingezogen und an die Ostfront geschickt. Ab 1944 verbrachte er fünf Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft. Seine Zeit als Jugendlicher und junger Erwachsener wurde also wesentlich von den Erfahrungen des zweiten Weltkriegs geprägt. Er selbst gab zu, dass er in Krabat seine Jugendzeit im Nationalsozialismus verarbeitete. Er sagte:

„Mein ‚Krabat‘ ist keine Geschichte, die sich nur an junge Leute wendet, und keine Geschichte für ein ausschließlich erwachsenes Publikum. Es ist die Geschichte eines jungen Menschen, der sich mit finsteren Mächten einlässt, von denen er fasziniert ist, bis er erkennt, worauf er sich da eingelassen hat. Es ist zugleich meine Geschichte, die Geschichte meiner Generation, und es ist die Geschichte aller jungen Leute, die mit der Macht und ihren Verlockungen in Berührung kommen und sich darin verstricken.“

Otfried Preußler

Von seinen ersten Überlegungen bis zur Vollendung des Romans Krabat vergingen zehn Jahre. Das Buch erschien erstmals 1971.


Auf Krabats Fußspuren

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